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Interview mit Hans-Ulrich Zöllner

By 12. Dezember 2019No Comments

Das Architekturbüro Hans-Ulrich Zöllner Architekten besteht seit mehr als 20 Jahren – Anlass genug für eine kleine Rückschau und Zwischenbilanz. Wie sind Sie zur Architektur gekommen – war es ein gradliniger Weg oder eine eher kurvenreiche Reise ins Leben eines Architekten mit eigenem Büro und mittlerweile sieben Angestellten?

Auch wenn es die Sache weniger spannend macht – der Weg war ziemlich gradlinig und konsequent. Schon als Junge hatte ich unheimlich viel Spaß daran, mir meine eigene Welt im Modellformat an die Wände meines Zimmers zu bauen. Das waren richtige kleine Dörfer, garniert mit Stadtmauer, Fluss und kleiner Kirche. Besonders misslich war allerdings der Umzug der Familie, den viele dieser kleinen Welten nicht überlebten – da war ich so acht oder zehn Jahre alt.

Haben Ihre Eltern versucht, Ihre Interessen in Richtung Architektur zu lenken?

Ach nein, da war wohl eher das Gegenteil der Fall – mein Vater fragte nur, warum ich das denn nun mache, und nichts für die Schule. Der Einfluss meiner Eltern war eher intuitiv und indirekt, ein grundsätzliches Interesse am Fach selbst. Aber eine direkte Beeinflussung gab es nicht, nach dem Motto: Sohn, jetzt werde mal bitte Architekt.

Was hat Sie bewogen, nach dem Studium doch ziemlich rasch das Wagnis eines eigenen Büros einzugehen?

Nach dem Studium wollte ich möglichst rasch weg von den Papiertigern, ich wollte endlich sehen, dass einer meiner Entwürfe endlich Wirklichkeit wird – diesen heißen Wunsch hegt wohl jeder junge Architekt. Doch zunächst einmal musste ich den Anforderungen der Berufsordnung genügen, nach der man erst einige Jahre als Angestellter arbeiten muss, bevor man die Berufsbezeichnung »Architekt« tragen darf.

Wie waren diese drei Jahre für Sie?

Zuviel arbeiten, das gab es für mich nicht, weil mir die Arbeit einfach Spaß gemacht hat, ich hatte immer Lust, mich mit Haut und Haaren da hineinzugeben. Zu meiner Tätigkeit gehörte vielfach auch die Bauleitung, ein Betätigungsfeld, das eine Menge Durchsetzungsvermögen erfordert: Diese Eigenschaft durfte und konnte ich damals zur Genüge unter Beweis stellen. Und ich wusste eben schon früh genau, was ich wollte, hatte eigene Vorstellungen, die ich meinen Chefs gegenüber deutlich vertrat. Manchmal ergaben sich dadurch leider auch Situationen, in denen man die Grenzen des jeweiligen Anstellungsverhältnisses erkannte und sich um einen Wechsel bemühen musste, damit man der Realisierung eigener Ideen ein Stück näher kam.

Das reine Zuarbeiten war nicht Ihre Sache?

Nein, das hat damit nichts zu tun, ich habe wirklich sehr universell gearbeitet. Das, was ich gezeichnet habe, habe ich auch später auf dem Bau vertreten. Doch gerade die größeren Bauvorhaben haben schon sehr gezehrt, ich bekam keine Unterstützung dabei, personell war alles ziemlich unterbesetzt. Man kann jetzt nicht Bauleitung machen und stellt dann beim Bau selbst fest, dass Zeichnungen fehlen und die Ausschreibung noch gemacht werden muss. Das war alles ein bisschen sehr chaotisch. Und irgendwann wurde dann der Wunsch übermächtig, die Seite des Schreibtisches zu wechseln.

Ihre eigene Firma haben Sie mit bescheidenem Aufwand gestartet.

Wer sich selbständig machen will, versucht erst einmal, mit dem geringsten Aufwand aus dem Knick zu kommen – eine fließende Übergangsphase, in der man Angespartes und erste Honorare zusammenbringt.

Was gab Ihnen den Impuls zum Neustart unter eigener Flagge?

Den Wunsch nach Selbstständigkeit hatte ich immer schon, die konkrete Gelegenheit ergab sich dann durch einen persönlichen Auftrag. Den habe ich als Chance erkannt und mir gesagt, OK, darum möchte ich mich kümmern, mit diesem Auftrag mache ich mich selbstständig.

Dass muss ein ziemlicher Einschnitt gewesen sein. Hat Sie das umgetrieben, der Sprung vom sicheren Angestelltenverhältnis zur Selbstständigkeit?

Sicher, ich hatte schließlich auch eine kleine, junge Familie. Da musste man finanziell schon haarscharf kalkulieren.

Und gab es ernste Anlaufschwierigkeiten?

Oh ja, und nicht zu knapp. Der Bauherr, der mir meinen ersten Auftrag – ein Mehrfamilienhaus – gebracht hatte, hatte mir ein Honorar gezahlt, die Baugenehmigung für dieses Projekt war eingetütet, da war noch alles in Ordnung und es sollte weitergehen. Doch dann verspekulierte sich der Bauherr, seine Firma ging in die Insolvenz, und ich bekam mitten in der Arbeit von ihm die Kündigung. Wir standen kurz vor der Ausführung. Das war etwa drei bis vier Monate nach dem Schritt in die Selbstständigkeit. Um das drohende Fiasko abzuwenden, habe ich die Finanzierung des Projekts selbst in die Hand genommen und bin mit dem Makler eine Partnerschaft eingegangen. Ich habe dann im Prinzip an Stelle des Bauherrn das Projekt selbst durchgezogen und war Investor und Projektentwickler in einer Person.

Das bescherte Ihnen sicher schlaflose Nächte und schlotternde Knie.

Ja, das nahm einen schon ganz schön mit. Andererseits: Um Erfahrungen dieser Art kommt man eben auch nicht herum. Und weil das alles sehr belastend ist, ist es gut, wenn man sich möglichst früh selbstständig macht.

Das klingt nach viel zeit- und nervenraubender Arbeit in der eigentlichen Bauphase.

Der Architekt ist Generalist und Kommunikator, er muss die verschiedensten Leute an einen Tisch bringen können, für die Bauherren da sein, die Fachplaner und für die Handwerker auf dem Bau. Man ist sozusagen die Spinne im Netz, ist in jeder Richtung verantwortlich, man muss in jede Richtung berichten und delegieren.

Wenn Sie sich zum ersten Mal zur Projektbesprechung mit einem Bauherrn treffen, worauf kommt es da besonders an?

Zuhören ist das Allerwichtigste. Den ersten Schritt macht der Bauherr, indem er sehr genau seine Vorstellungen äußert und seine Intentionen konkretisiert. Es ist auch immer wichtig, die Ziele über den Verlauf des Projekts mit dem Kunden abzusprechen.

Beide müssen eng miteinander kommunizieren.

Ja. Das liegt allein schon daran, dass der Architekt eine besondere Vertrauensstellung zu seinem Bauherrn hat, aus der auch schnell eine persönliche Beziehung wird. Man versucht, ganz im Sinne des Bauherrn zu denken.

Im Verlaufe der Geschichte Ihres Büros haben sich auf diesem Wege sicher auch einige Partnerschaften ergeben, die über den Abschluss des jeweiligen Projekts hinaus Bestand hatten und haben?

Das ist richtig. Manchmal ergeben sich direkt im Anschluss neue Projekte, manchmal auch nach Jahren. Unsere Projekte sind niemals Eintagsfliegen, die Kunden kommen oft wieder.

Wie man an Ihrer Website sehen kann, ist das Spektrum Ihrer Projekte außerordentlich weit gefächert – größere Wohneinheiten, Bürokomplexe, gewerbliche Bauten –, die auch im Baustil sehr unterschiedlich ausfallen. Der Wohnungskomplex an der Lutterothstraße weist zum Beispiel viele historisierende Gründerzeit-Details auf, das Projekt an der Friedrichsberger Straße ist dagegen sehr modern gestaltet. Haben Sie persönliche Vorlieben oder bieten Sie lieber eine möglichst große Bandbreite an?

Vieles hängt ab von den Vorstellungen des Bauherrn, der Abstimmung mit den Behörden und der passenden Einbindung in das architektonische Umfeld; schließlich muss das Gebäude auch in den städtebaulichen Kontext passen. Und am Ende muss das Gebäude eine spezifische Funktion ausfüllen. Wenn man sich zu stark auf den gestalterischen Aspekt konzentriert, kann es einem leicht passieren, dass das Objekt von den jeweiligen Eigentümern oder Mietern nicht akzeptiert wird.

Eine optimale Nutzung und Integration des Objekts ist also oberstes Gebot Ihrer Arbeit, nicht die hehre Architektenkunst an sich?

Wir bemühen uns, dem Vorurteil entgegenzutreten, das erste Streben eines Architekten sei der, sich selbst ein Denkmal zu setzen. Letztendlich ist ein Architekt ein Dienstleister. Natürlich hat seine Dienstleistung auch eine künstlerische Seite, aber das ist eben nur ein Teilaspekt. Alles, was man plant, muss auch in die Auffassung und geschäftliche Vorstellung des Kunden passen.

Ihr Unternehmen ist jetzt mehr als 20 Jahre alt. Haben sich seit der Gründung grundsätzliche Dinge verändert, Stile, Werte?

Es hat sich unheimlich viel verändert. Da ist einerseits die technische Unterstützung. Heute gibt es keine Zeichenbretter mehr, alles läuft per Computer, die Arbeitsprozesse haben sich sehr verschlankt. Früher kannte man noch eine strikte Trennung zwischen Bauzeichner und Architekt. Und auch in der Ausführung hat sich einiges getan: Vor 20 Jahren hat man Wohnhäuser ganz anders gebaut als heute. Gleiches gilt für den Büro- und Gewerbebau. Das liegt nicht zuletzt daran, dass immer neue Vorschriften dazukommen und dass die Ausstattungsqualität stetig steigt.

In einem Spiegel-Interview sprachen Sie sich 2004 leidenschaftlich für den Backstein als Baustoff aus und warnten vor gesichtslosen Glas- und Betonwüsten. Wie stehen Sie heute dazu?

An meiner Meinung hat sich seit damals nichts geändert. Heute entscheiden sich Bauherrn zudem oft gegen den hohen technischen und finanziellen Aufwand, den eine offene Gestaltung mit viel Glas mit sich bringt; der Anteil geschlossener Wände ist wieder größer geworden. Und da stellt sich natürlich auch die Frage: Kann da wieder Backstein hin? Außerdem sind in der Zwischenzeit viele Ausschüsse und Gremien entstanden, die sich für eine Förderung der Klinkerarchitektur engagieren. Ich stehe inzwischen also längst nicht mehr allein da.

Und wie stehen Sie zur Einbindung historisierender Elemente?

Hier kommt es wieder auf den Kontext an, das Umfeld des zu entwickelnden Objekts spielt immer eine entscheidende Rolle. Die Einbindung historisierender Details hat für mich außerdem nichts mit »Nachmachen« oder »Kopieren« zu tun. Es geht mir um eine harmonische, intelligente Anpassung ans Umfeld, gepaart mit einer gewissen Modernität.

Wie etwa bei Ihrem Projekt am Schulweg zu sehen?

Ja, genau. Hier war es unser Ziel, die Formgebung zu replizieren, die sich aus der Umgebung ergibt, aber eben keinen uniformen Häuserblock dort hinzusetzen. Durch die Dekoration ergibt sich eine Differenzierung, es hat den Anschein, als handele es sich um drei alteingesessene Gebäude. Das Ganze hat die Anmutung einer gewachsenen Struktur. Das haben wir beispielsweise bei dem Projekt in der Lutterothstraße in ähnlicher Weise umgesetzt; in Fachkreisen wurde viel darum gerätselt, welcher Teil nun neu sei und welcher nicht…

Dieses Projekt bezieht seinen Reiz zu einem großen Teil aus der Kombination neuer und historisierender Elemente.

Dem Bauherrn ging es auch genau um diesen Gegensatz. Bei der Planung habe ich darauf hingewiesen, dass ich gern bereit sei, einen Teil historisierend darzustellen, aber empfohlen, eine Mischung daraus zu machen, damit die Eigentümer sich individuell für die ihnen genehme Umgebung entscheiden konnten. Der Eine wohnt gern modern, schätzt es aber durchaus, wenn er beim Blick aus dem Fenster historisch anmutende Partien zu Gesicht bekommt, der Andere liebt genau das Gegenteil. Das war ein Volltreffer – der Vertrieb hatte keine große Mühe, innerhalb weniger Monate waren sämtliche Wohnungen verkauft.

Das Projekt wurde sogar im Netz an einigen Stellen diskutiert.

Ja, ich finde es auch sehr spannend, dass meine Projekte für Diskussionsstoff sorgen – es ist immer wieder erstaunlich, was für Beurteilungen dabei herauskommen.

Wagen wir zum Schluss noch einen Blick in die Zukunft: Welches Ihrer Projekte würden Sie besonders gerne bewahren?

Ich müsste es hinnehmen, wenn das eine oder andere Gebäude seinen Dienst getan hat und abgerissen wird, weil sich die wirtschaftliche Nutzung des Geländes in eine ganz andere Richtung entwickelt hat. Auch die Schöpfer schöner Autos müssen davon ausgehen, dass ihre Erzeugnisse irgendwann einmal in der Schrottpresse landen. Das ist der Lauf des Lebens. Aber sagen wir es einmal so: Meine realisierten Projekte sind bisher von der Abrisswut verschont geblieben. Lassen Sie mich einfach hoffen, dass das noch möglichst lange so bleibt…